BUND DER ANGESTAMMTEN DEUTSCHSPRACHIGEN MINDERHEITEN IN DER SCHWEIZ
Strassburg. Blick vom Gutenbergplatz zum Muenster
Bern - Altstadt mit Münster von der Schwelle aus
Strassburg - altes Handwerkerviertel
ELSASS

ELSÄSSISCHE GEDICHTE DER FAMILIE STÖBER

Stoewerplatzel, Strassburg

AUF DEM STRASSBURGER MÜNSTER

von August Stoeber (1779-1835)

Ich steh so gern auf deinen Zinnen
Du Tempelhaus, du Heimathaus!
Es geht des Herzens freudig Sinnen
Weit über Berg und Thal hinaus.

Da rollt mit seinen Wundersagen
Der alte, thatenvolle Rhein,
Die dunkelgrünen Wellen schlagen
Hoch auf im goldnen Sonnenschein.

Der Wasgau schüttelt seine Eichen,
Der Schwarzwald rauscht im Tannenkleid;
Seid euch verwandt, und nimmer schweigen
Will eurer Sehnsucht tiefes Leid.

Habt euch alltäglich vor den Blicken,
Alltäglich schlägt von Lieb dieBrust;
Könnt euch durch flinke Vöglein schicken
Gruß, Minnewort, und Leid undLust.

Und eure Schlößlein können tauschen
Von alten Zeiten manche Mär’,
Wie sie durch Eichenwipfel rauschen,
Von starken Rittern kühn und hehr!

Vom Thal, wo Badens Wunderquelle
Aus heißer Erden Schoße springt;
Vom Berg, wo hell die blaue Welle
Des Belchensee’s an Felsen klingt

Vom Mümmelsee, wo Feen wallen,
Krystallne Zauberschlösslein stehn;
Von Königsburg, mit ihren Hallen,
Auf lichtenaarumkreisten Höhn;                          (Aar=Adler)

Von Staufenberg die holde Sage,
Die sich im alten Liede regt;
Von Hohenburg, wo stille Klage                            (=Ottilienberg)
Der jungen Nonne Herz bewegt.

So mögt ihr rufen manche Kunde,
Sie soll durch Flur und Waldung wehn;
Soll schweben frisch von Mund zu Mund
Und tief in Aller Herzen gehen.

Der graue Wächter hört sie gern,
Das Münster, an der Alsa Strahl;                             (= die Ill)
Es schaut umher nach blauer Fern
Und steht verklärt im Steingewand.

Fest wurzelt es im Heimatgrunde
Der Väter Geist und Sinn vertraut,
Und wahrt in des Alsaten Munde
Auf ewig deutschen Wortes Laut.

Der Blick geht abwechselnd nach Osten und Westen; vom Münster aus öffnet sich der Blick auf die Weite der Oberrheinischen Tiefebene, die als ein einziger großer Kulturraum gesehen wird. Am Ende steht ein klares Bekenntnis zur deutschen Sprache; die hier ausgesprochene Zuversicht ist fraglich geworden: Die Bewahrung der angestammten Sprache ist heute mehr Aufgabe und Hoffnung als Gewissheit.

ABENDSCENE

von Ehrenfried Stoeber (1779-1835)

Von Dianens Wagen blinkten
Silberstrahlen, Sterne winkten,
Eros lauscht’ im Abendschein.
Ihren Edwin zu umgarnen
Sah, mit schüchternem Verlangen,
Lyda nach dem Tannenhain.

Eine Thrän’ im dunklen Auge,
Blickte sie am Fliederstrauche
Zu dem stillen Thal hinab;
Edwin kam, ein Blütenregen
Zitterte, wie Geistersegen,
Auf die Liebenden herab.

Um die Stätte ihrer Feyer
Hauchte Amor einen Schleyer,
Weihte sie zum Heiligtum.
Hügel, Flure, Haine schwanden,
Arm im Arm verschlungen fanden
Küssend sie Elysium.

Stoeber, der bekennende Republikaner, zog sich machmal auch gerne ins Private zurück und, wie in diesem erotischen Gedicht, auch in die idyllische, liebliche Welt der Anakreontik.

D’ JUMPFER SARA
(Eidechse)

von August Stoeber (1808-1884)

E Jumpfer isch’s un au e Dier
E wußli’s Dierel, werzina!
E hellgrüens Reckel isch sin Zier.
Es huscht de Rain wohl uff un a,
‚s blie’t hitt gern lang uff ein’re Stell.
Wie blitze d’ Gickle funkelhell!
Wie geht des Schwänzel rechts un links!
Git’s noch e Dierel so, e flinks?
Jetz kummt e Stork – Ja abrebo!
Meint der du seisch forr inne do?
Nein, nein, Herr Langbein, heidebritsch
Schlupft’s dief ins Gras ‚nien in eim Witsch!

Vielleicht ein Gleichnis, übertragbar auf den Elsässer, der sich vor dem übermächtigen Franzosen oder Deutschen behende in Sicherheit bringt.

Quellen:
Auf dem Straßburger Münster und Abendscene aus Stoeber Ehrenfried. Gedichte.
Basel (Samuel Flick) 1815.
D’ Jumpfer Sara aus Stöber August. Gedichte. Basel & Mülhausen (C. Detloff) 1873.

SCHWARZERD

von Adolf Stoeber (1810-1892)

Wenn in der lieben Frühlingszeit

Das Alpenfeld noch ist beschneit,

So schütten Schweizer Bauern drauf

Von schwarzer Erde einen Hauf,

Die Sonnenstrahlen aufzufangen,

Bis aller Schnee in Tau zergangen.

 

So war die Kirche weit und breit

Von kalter Satzung eingeschneit,

Als Luther wie ein Märzwind schnob,

Vor dessen Hauch der Frost zerstob;

Doch Schwarzerd voller Lieb’ und Milde

Zerschmolz der Herzen Schneegefilde.

Reformationsbilder: 16 Gedichte. Basel (Bahnmeier/Detloff) 1857, S. 18.

Gemeint ist natürlich der Reformator Melanchthon. Das Wirken des Weggefährten Luthers wird in einem originellen Gleichnis gewürdigt.

Die Familie Stoeber

Stoebers waren eine reformierte Straßburger Familie. Ehrenfried studierte in Erlangen und Paris die Rechte, dann kehrte er nach Straßburg zurück und übte seinen Beruf als Notar und Advokat aus. Er gründete die Literarische Gesellschaft alsatischer Freunde und gab zwei kurzlebige Monatsschriften heraus. Er war befreundet mit Daniel Vettel und war mit Hebel, Tieck, Voss und Jakob Grimm bekannt. Politisch war er durchaus Republikaner und französischer Patriot, gleichzeitig setzte er sich für die Verbundenheit der Elsässer mit der deutschen Kultur ein. Er war auch kultureller Vermittler: Er übersetzte Rousseau und Chateaubriand.

Seine beiden Söhne August und Adolf studierten an der Theologischen Fakultät.

August wirkte dann als Pfarrer in Metz, Oberbronn und Mülhausen. Er wurde in Mülhausen auch Stadtbibliothekar. Er war als Forscher und Autor sehr vielseitig tätig; nachdem er Gustav Schwab kennengelernt hatte, zeichnete er selbst Elsässer Sagen auf und gab 1852 die Sammlung Sagen des Elsass heraus.

Adolf begann seine berufliche Laufbahn als Vikar in Oberbronn und Rothbach, wandte sich dann aber dem Lehramt zu. Er wurde Schulleiter in Buchsweiler und dann Lehrer am Gymnasium in Mülhausen. Er unterstützte seinen Bruder in dessen Einsatz für die Folklore des Elsass und schrieb selbst viele Gedichte, zum Teil auch in Elsässer Mundart.

Stoeber, bekennender Republikaner, zog sich machmal auch gerne ins Private zurück, auch in die idyllische, liebliche Welt der Anakreontik.

 

BADEM